Schreiben gegen das Vergessen in Frankfurt am Main

Wie soll, oder könnte Gedenken aussehen, wenn bald alle Zeitzeugen verstorben sind?
Wie erreicht man so viele Menschen wie möglich und bindet sie in ein Gedenkprojekt ein?
Wie kann man das Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen sichtbar machen?
Die nachfolgend beschriebene Kunst-Aktion „Schreiben gegen das Vergessen“ wurde bereits im Juni 2018 erfolgreich in Wien realisiert und das daraus entstandene filmische Ergebnis mit dem Titel „66.000“ am 9. November 2018 veröffentlicht. An diesem Tag jährte sich das Pogrom vom November 1938 zum 80sten mal.

Das Gedenkprojekt wird in Frankfurt am Main fortgesetzt.
11.908 Namen erinnern an die ermordeten Frankfurter Jüdinnen und Juden.
Vom 21. – 26.April 2020 sollten in einer Kunst-Aktion mit vielen Teilnehmenden die Namen der 11.908 Frankfurter Todesopfer der Shoah auf den Mainkai geschrieben werden. Leider konnte das Projekt in diesem Zeitraum aus gegebenem Anlass nicht verwirklicht werden.
Geplant ist nun die Realisierung in der letzten Augustwoche 2020.
www.schreiben-gegen-das-vergessen.eu

Foto: Claudia Rohrauer, Wien 2018

Schreiben gegen das Vergessen

66.000 Namen erinnern an die ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden.

Vom 21. – 28. Juni 2018 werden in einer Kunst-Aktion mit vielen Teilnehmenden die Namen der 66.000 österreichischen Todesopfer der Shoah auf die Prater Hauptallee geschrieben, mit weißer Schulkreide. Es entsteht der Film „66.000“.

Kreide ist ein so einfaches wie probates Mittel. Jeder kennt sie, jeder hat sie schon einmal in der Hand gehalten. Dennoch ist das mit Kreide auf die Straße geschriebene Wort so flüchtig wie der Lauf der Geschichte. Nach Abschluss der Aktion bleiben die Namen stehen, werden vom Regen weggespült oder verblassen in der Sonne. Sie lösen sich auf. Geht man zwei Kilometer an dicht geschrieben Namen entlang, wird plötzlich das Ausmaß der Vernichtung sichtbar. Fünf Ziffern verwandeln sich in eine mit bloßen Augen nicht mehr zu überblickende Strecke. Während das Schreiben der Namen auf Flüchtigkeit angelegt ist, gilt das nicht für den Film „66.000“. Von allen Namen werden mit einer analogen 16mm Filmkamera Einzelbilder gemacht. Es entsteht ein Film von ca. einer Stunde Länge bei 24 Kadern (Bildern)/Namen pro Sekunde. Er spiegelt in verdichteter Form viele Menschenschicksale. Die Vergeblichkeit das zu erfassen, was man in einer Stunde auf der Kinoleinwand sieht und hört, wiederholt das Unfassbare und schreibt es fest.

www.schreiben-gegen-das-vergessen.at

Impressionen von den Projekttagen

Fotos: Claudia Rohrauer

0=Frankfurt

Eine Zeitzeugendokumentation ohne Zeitzeuge

Von den bis zu 1600 Häftlingen des KZ Katzbach in den ehemaligen Adlerwerken im Frankfurter Stadtteil Gallus überlebten nur sehr wenige.

Auf das unvorstellbare Leid der Häftlinge weisen die Namen der Todesopfer1, die in Frankfurt begraben liegen hin. Dem gegenüber steht das Schicksal eines Einzelnen. Der Fokus liegt auf dem individuell erlebten Grauen eines Überlebenden.

Janusz Garlicki war von Beginn des Lageraufbaus bis zur Evakuierung in Frankfurt interniert und überlebte den Todesmarsch nach Buchenwald und den Marsch von dort in Richtung Süden. Er verstarb 92jährig im März 2015. Eine persönliche Begegnung mit der Künstlerin war nicht mehr möglich, der Austausch fand bis Anfang 2015 postalisch und telefonisch statt.

1Quellennachweis: ISG, Grünflächenamt 333

Störungen und Irritationen im öffentlichen Raum

Eine Auftragsarbeit der Stadt Frankfurt zum KZ Katzbach in den ehemaligen Adlerwerken

Von Mitte August 1944 bis 24.03.1945 bestand mitten in Frankfurt eines der schrecklichsten Konzentrationslager Hessens in den Räumen der Adlerwerke.
Es wurden Rüstungsgüter hergestellt.
Bis zu 1.600 Häftlinge waren zur Vernichtung durch Arbeit freigegeben. Die hohe Zahl der Toten legen ein furchtbares Zeugnis ab.
Eine 2013 veröffentlichte Untersuchung des Holocaust Memorial Museum in Washington hat eine astronomische Zahl an Stätten der Gewalt während des Nationalsozialismus zutage gefördert, sodass man davon ausgehen muss, dass es unmöglich war, „von alledem nichts gewusst zu haben“.

Dennoch ist die Existenz des Lagers Katzbach in der Frankfurter Bevölkerung weitgehend unbekannt.

Um dem entgegen zu wirken gab es ab März 2014 unterschiedliche Interventionen im öffentlichen Raum.
Die Aktionen dauerten bis Ende 2014.

Eine Website, www.rabow-kz-katzbach.de ist eingerichtet.

  

528

Analoger Film ist ein ebenso dauerhaftes, wie verletzliches Medium. Kleinste Zerstörungen auf dem Trägermaterial bleiben in der Projektion immer sichtbar. Doch bei guter Lagerung kann Film über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, erhalten bleiben. Abgespielt zeigt Film eine vollkommen andere Textur als ein digitales Medium.

In einer Performance schreibt Margarete Rabow die Namen der 528* Todesopfer, die in Frankfurt begraben sind, mit weißer Schulkreide auf einen öffentlichen Platz.

Von jedem Namen werden mit einer analogen 16mm Filmkamera Einzelbilder gemacht. Es entsteht ein Film von ca. 1 Minute Länge. Dieser soll in Kinos und an öffentlichen Orten gezeigt werden.

Video

* Quellennachweis: ISG, Grünflächenamt 333

10111938

16mm S/W Film-und Audio-Installation

Am 10.11.1938, ein Tag nach den antijüdischen Pogromen, wurden in Deutschland ca. 30.000 jüdische Männer verhaftet und in die Konzentrationslager Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald verschleppt. Das Konzentrationslager Buchenwald verzeichnete in seinem „Nummernbuch der Judenaktion“ 9.845 sogenannte „Schutzhäftlinge“. Unter ihnen befand sich der Großvater der Künstlerin.

Film- Performance in der Gedenkstätte Buchenwald:

Margarete Rabow steht am 21.04.2013 zehn Stunden unbeweglich auf dem ehemaligen Appellplatz, sie wird von drei Kameras nach einem dreiteilig festgelegtem, symbolhaltigen Konzept gefilmt.

Vom 0 6.-11.05. und vom 26.-30.08.2013 schreibt sie die Namen der 9.845 Häftlinge mit weißer Schulkreide auf den Carachoweg, über den alle Inhaftierten getrieben wurden. Von jedem Namen wird mit der analogen Kamera ein Einzelbild gemacht. Das ergibt einen Film von knapp 10 Minuten Länge bei 24 Bildern pro Sekunde.

Die Filmperformance wurde als Rauminstallation, sowie als Kinofilm zum 75. Jahrestag des Novemberpogroms gezeigt:

– 03.11.2013, 13.30 Uhr, Eröffnung der der Rauminstallation in der Gedenkstätte Buchenwald, Weimar;
Dauer vom 05.11.-29.12.2013

– 08.11.2013, 17 Uhr, Kinofassung und Kurzdokumentationen von Niklas Rühl,
im Anschluss Künstlergespräch im Malsehnkino, Frankfurt, Adlerflychtstr. 6;

– 10.11.2013, 18 Uhr, Eröffnung der Rauminstallation im basis- Projektraum, Frankfurt, Elbestr. 10, HH;
Dauer vom 12.-16.11.2013, 17-19 Uhr

Filmdokumentation Niklas Rühl: „Stehen“
Filmdokumentation Niklas Rühl: „9845 Namen“

Stehen, Fotos: Peter Loewy

     

Schreiben, Fotos: Peter Loewy

Mein Großvater, mein Vater und ich

16mm, schwarz/weiß, stumm, 3min.

Der Nationalsozialismus wirft seine Schatten bis in die heutige Zeit.
Die Nachkommen Überlebender leiden häufig unter der Sprachlosigkeit ihrer Familien, die Traumata wirken nachhaltig.
Georg Rabow, der Großvater der Künstlerin, ein Wetzlarer Bürger, starb im März 1942 in Frankfurt a.M. im Jüdischen Krankenhaus an den Folgen der Lagerhaft. Hans Rabow, der Vater, ist zusammen mit seinen vier Brüdern, Überlebender.
Aus ganz persönlicher Sicht filmt Margarete Rabow ihren Vater in seiner häuslichen Umgebung. Man sieht den Vater aus verschiedenen Blickwinkeln, mit dem Foto des Großvaters in der Hand, hin und wieder erscheint das Gesicht der Künstlerin.
Dennoch ist nichts wie es scheint.

Stadt-und Industriemuseum, Lottestr. 8.10, 35578 Wetzlar
03.10.2010, 11Uhr
05.10.2010, 18 Uhr
Mit einer Einführung von Julia Quedzuweit, Frankfurt

 Mein Großvater, mein Vater und ich   16mm, S/W, 3min, stumm